Dr. Michael Lüders eröffnete die Gastprofessur 2017 an der Universität Trier mit dem Vortrag „Der Fluch der bösen Tat: Vom Sturz Mossadeghs im Iran 1953 bis zum Einmarsch in den Irak 2003“.

 

„Guter Westen“ hat nichts mit der Realität zu tun

Trier. „Wie nahe ist der Nahe Osten?“ Dies ist die zentrale Frage der nunmehr fünften vom Freundeskreis Trierer Universität gestifteten Gastprofessur. Antworten blieb der promovierte Journalist, Autor und Wissenschaftler Michael Lüders den gut 200 Zuhörern im ersten seiner drei Vorträge am Montagabend an der Universität Trier nicht schuldig.

Michael Lüders ist kein Freund von Weichzeichner-Rhetorik. Seine Standpunkte vertritt er unmissverständlich, gelegentlich in drastischer Wortwahl und mit einer Prise Ironie. Er demaskiert den Narrativ westlicher Politik, „in erster Linie Gutes tun zu wollen“, als Deckmantel für interessen- und machtgetriebene Geopolitik. „Es ist ein bequemes Weltbild, dass wir im Westen die Guten sind, aber es hat nichts mit der Realität zu tun“, mahnt Lüders.

„Geopolitik handelt nie humanitär. Den Preis dafür bezahlen seit Jahrzehnten die betroffenen Völker“, stellt Lüders fest. Auch wenn dieser Abend zu einer Generalabrechnung mit westlicher Politik gerät, fokussiert er seine Kritik weniger auf Akteure als auf das Handeln: „Egal ob Russen, Amerikaner, Chinesen oder andere – sie haben alle gleich schmutzige Hände.“ Der Maßstab, ob etwas richtig oder falsch ist, „bemisst sich meiner Meinung danach, was mit den Menschen geschieht“.

Am Beispiel des Iran führt der Gastprofessor das Kindchen-Schema „Wir die Guten – ihr die Bösen“ ins Absurde. Dass er westlich geprägt und demokratisch gewählt war, habe den iranischen Premierminister Mohammad Mossadegh nicht davor bewahrt, 1953 vom britischen und amerikanischen Geheimdienst gestürzt zu werden, weil er sich mit der Verstaatlichung der iranisch-britischen Ölgesellschaft gegen britische Wirtschaftsinteressen stellte. Durch die Installation des Schahs zum Nachfolger hätten sich die USA und Israel zu den größten Feindbildern der Iraner gemacht, die sich mit der sogenannten islamischen Revolution von 1979 des Schahs entledigt und sich gegenüber dem Westen völlig neu orientiert hätten, so Lüders.

Auch im ersten Golfkrieg zwischen Iran und Irak betrieben die USA als Waffenlieferant ein unrühmliches Geschäft. Die achtjährige Auseinandersetzung habe den Irak in die Pleite und in den zweiten Golfkrieg getrieben. Der Überfall auf die „amerikanische Tankstelle“ Kuwait leitete eine „Dämonisierung“ des irakischen Präsidenten Saddam Hussein ein, die 2003 in der Besetzung des Irak durch eine Koalition unter Führung der USA gipfelte.

Weil „alles mit allem zusammenhängt“ richtete Michael Lüders in seinem frei gesprochenen Vortrag auch Seitenblicke auf Afghanistan, Pakistan, auf die Taliban und Al-Qaida – um stets dem Publikum vor Augen zu führen: Nicht humanitäres Wohlwollen, sondern geopolitisches Kalkül treibt die Großmächte an und löst Gegenreaktionen von 9/11 bis zum Islamischen Staat aus: „Dass wir heute nicht hundert Dschihadisten und tausend Unterstützer, sondern Tausende Dschihadisten und Hunderttausende Unterstützer haben, ist Folge amerikanischer Politik“, so Lüders.

Wie nahe ist also der Nahe Osten? Folgt man Michaels Lüders´ Vortrag, dann ist er dem Westen äußerst nahe, wenn es darum geht, dort seine Interessen zu wahren. Aber doch so fern, wenn die Menschen und deren Wohlergehen im Mittelpunkt stehen sollten.

Weitere Vorträge von Michael Lüders im Rahmen der Gastprofessur 2017, jeweils montags, 18.00 Uhr, Universität Trier, C-Gebäude, Hörsaal 4:

  1. Juni:
    The unknown known: Wie Washington seit 1949 regime change in Damaskus betreibt
  2. Juli:
    Flüchtlinge und Terror: Die sichtbarsten Kehrseiten der Strategie „Sieben Kriege in fünf Jahren“

 

Foto: Universität Trier