Patienten mit Gallenblasenkrebs haben lange Zeit wenig bis keine Beschwerden. Daher wird dieser Tumor meist spät erkannt – nicht selten zu spät für eine Therapie. Die Pharmazeutin Sonja Keßler aus der Arbeitsgruppe von Professor Alexandra Kiemer an der Universität des Saarlandes hat zusammen mit Pathologen der Universität Magdeburg einen neuen Weg gefunden, der zu einer früheren Diagnose und zu einer verbesserten Therapie der Krankheit führen kann: Die Forscherin hat ein Protein entdeckt, das mit dem Tumorwachstum in Verbindung steht und als so genannter prognostischer Marker Rückschlüsse zulässt, wie die Krebserkrankung verlaufen wird. Ihre Ergebnisse veröffentlichen die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Oncotarget“. DOI: 10.18632/oncotarget.21116
Normalerweise spielen die drei Proteine, die die Pharmazeutin Sonja Keßler für ihre Forschung ins Visier genommen hat, nur beim Embryo im Mutterleib eine Rolle. Sie tragen dazu bei, dass das ungeborene Kind schnell wächst und gedeiht. Später kommen sie für gewöhnlich nicht mehr zum Einsatz. „Nach der Geburt werden diese Proteine gleichsam abgeschaltet, sie werden nicht mehr vom Bauplan abgeschrieben“, erklärt Sonja Keßler, die promovierte Diplom-Pharmazeutin und Apothekerin arbeitet an ihrer Habilitation bei Professor Alexandra Kiemer an der Universität des Saarlandes. Doch die Proteine mit den schlichten Namen IMP1 bis 3 können wieder angeschaltet werden. Und in diesem Fall können sie viel Schaden anrichten. Vor allem eines der Proteine, das so genannte IMP2, fällt hier unangenehm auf: „Dieses Protein fördert die Zellteilung und die Vervielfältigung von Zellen und trägt so zum Wachstum von Tumoren bei“, erläutert Keßler.
Der Pharmazeutin ist es jetzt gelungen, die Protein-Gruppe auch im Gallenblasenkrebs zu überführen. „Wir konnten die Proteine in zahlreichen Gewebeproben von Gallenblasenkrebs-Patienten nachweisen. Außerdem konnten wir zeigen, dass der Tumor schneller wächst, wenn die Zellen viel an Protein IMP2 enthalten. Auch die Prognose für den Patienten fällt in diesem Fall schlechter aus“, erklärt die Forscherin.
Dieses Ergebnis der Grundlagenforschung könnte künftig dazu beitragen, die Therapie des Gallenblasenkrebses zu verbessern. „Bei diesem Tumor gab es bislang sehr wenige prognostische Marker“, sagt Keßler. Prognostische Marker sind Stoffe, die in Blut- oder Gewebeproben darauf hindeuten, dass ein bösartiger Krebs voraussichtlich schlecht verlaufen wird. Die Therapie kann in diesem Fall gezielt auf den Patienten zugeschnitten und damit die Aussichten verbessert werden. Mit IMP2 steht jetzt für den Gallenblasenkrebs ein aussagekräftiger prognostischer Marker zur Verfügung. Auch kann das Forschungsergebnis die Basis für neue wirksame Medikamente sein: Ist das beteiligte Protein erst einmal identifiziert, kann gezielt nach Methoden geforscht werden, um die schädlichen Vorgänge, die es in Gang setzt oder beeinflusst, auszubremsen oder ganz zu verhindern.
Bei ihrer Forschung arbeitete Sonja Keßler mit dem Magdeburger Pathologen Professor Johannes Haybäck zusammen: Haybäck hat die weltweit größte Sammlung an Gewebeproben von fast 500 Gallenblasenkrebs-Patienten aufgebaut. Mithilfe dieser Gewebebank konnte die Saarbrücker Pharmazeutin mit IMP2 erstmals einen vollkommen neuen Beteiligten am Gallenblasenkrebs identifizieren. Bei ihren Experimenten hat sie die IMP-Proteine in den Gewebeproben mit Hilfe von markierten Antikörpern sichtbar gemacht und analysiert.
Foto: Universität des Saarlandes
CvD: Sven Herzog Saarbrücken Trier