Angesichts der aktuellen Spannungen in Europa braucht die Europäische Union mehr Zusammenhalt denn je. Im Sinne der Völkerverständigung engagiert sich der Saarpfalz-Kreis vielfältig. Jüngst fand eine Bürgerreise zum Partnerkreis Przemysl statt.
„Europa kann viel für Polen tun und Polen kann viel für Europa tun“ betonte Landrat Dr. Theophil Gallo während seines Besuchs in Polen zur Erneuerung des Partnerschaftsvertrags mit dem Landkreis Przemysl im September dieses Jahres. Neben der offiziellen Bestätigung der Kreispartnerschaft wurden weitere Kooperationsmöglichkeiten und -bedürfnisse erkundet. Dabei achten und würdigen die Partnerkreise ihre kulturelle Identität, welche die Landkreise füreinander so faszinierend macht. Neben den herausragenden kulturhistorischen Sehenswürdigkeiten sind es die volkstümlichen polnischen Bräuche und die lokalen Kulturkreise, die Landrat Dr. Gallo auch den Einwohnerinnen und Einwohnern des Saarpfalz-Kreises nicht vorenthalten möchte. Ganz im Sinne der Partnerschaft, mit der die Partnerkreise „zur Verwirklichung eines gemeinsamen Europas der Bürgerinnen und Bürger in Frieden und Freundschaft beitragen“ wollen, wie die Partnerschaftsurkunde es gelobt, wurde im September dieses Jahres eine Bürgerreise zum Partnerkreis Przemysl durchgeführt. In einer einwöchigen Busreise haben dreißig deutsche Interessierte den polnischen Landkreis von vielen Seiten kennenlernt, wobei sie auch einen umfassenden Einblick in die Kreispartnerschaft erhielten.
Nach einer Anreise mit Übernachtung im historischen Stadtkern von Bautzen stand zunächst die Kreisstadt Przemysl, deren Geschichte die Gruppe im Nationalmuseum des Przemysl-Landes kennenlernen durfte, auf dem Programm. Während des Spaziergangs mit Zdzislaw Szeliga vom Partnerkreis Przemysl durch die historischen Straßen zwischen den vielen Kirchen der Stadt gerieten die Teilnehmer ins Staunen. Die Verantwortlichen des Kreises nahmen es zum Anlass, die Bürgerinnen und Bürger aus der Saarpfalz persönlich zu begrüßen und die Stadt selbst vorzustellen. Auch dank des Przemysl-Landrates Jan Paczek durfte die Reisegruppe die Außengrenze der EU am Grenzübergang in Medyka besuchen. In einer geführten Besichtigung lernte sie vom Kommandanten Jacek Szumelda, welche Auflagen an der Schengengrenze täglich zu erfüllen sind. Die Zusammenarbeit mit der Grenzpolizei aus verschiedenen EU-Ländern, so auch aus Deutschland, sei dort unentbehrlich.
Zum Thema „historische Schlösser“ besichtigten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Bürgerreise zwei Perlen der polnischen Renaissance. Die Schlösser in Krasiczyn und Lancut stammen aus dem 17Jh. und überstanden größtenteils unversehrt die Kriege. Während das Inventar des Schlosses in Krasiczyn im Zweiten Weltkrieg der sinnlosen Zerstörung durch die Sowjetunion zum Opfer fiel, gelang es dem damaligen Besitzer von Schloss Lancut Alfred Potocki, noch vor dem Einmarsch der Roten Armee am 1. August 1944 viele Kunstwerke im Westen zu verstecken. Die Deutschen, die im Schloss selbst einen Stab der Wehrmacht untergebracht haben, befürworteten den Schutz der Kunst durch Alfred Potocki. Damit überstand nicht nur die Bausubstanz des Schlosses die Kriegsjahre, sondern auch die imposante Kunstsammlung. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden beide Schlösser verstaatlicht und stellen heute als Museen eine besondere Touristenattraktion dar. Während in Krasiczyn die Räumlichkeiten auch der Bevölkerung, etwa zum Feiern von Hochzeiten und Geburtstagen, zur Verfügung stehen, beherbergt das Schloss in Lancut einen Museumskomplex zu verschiedenen Themenbereichen. Im Schloss selbst befindet sich ein großer Teil der Kunstsammlung der Familien Lubomirski und Potocki, der ehemaligen Besitzer des Schlosses. Das Museum des polnischen 10. Jägerregiments zu Pferde, das Museum orthodoxer Kunst, das Orchideenhaus und das Kutschenmuseum verlocken dazu, sich in Lancut auch längere Zeit aufzuhalten.
Das Programm der Reise bot auch für die an sakralen Bauten Interessierten eine weitere Attraktion: den Besuch des Pilgerzentrums und Sanktuariums in Kalwaria Paclawska. Die Klosterkirche wurde ähnlich wie in Jerusalem am Berg erbaut. Unterhalb der Kirche befindet sich ein 1,6 km langer und dem Leidensweg Jesu Christi nachempfundener Wallfahrtsweg. In der Kirche selbst erhielten die Reisenden einen Einblick in die Geschichte und den heutigen Kult des Sanktuariums. Das sich in der Mitte des Nebenaltars befindende Gemälde der Heiligen Maria soll viele Wunderheilungen bewirkt haben. Manche durch die Schulmedizin als aussichtslos erklärte Fälle von Krebsleiden oder Epilepsieerkrankungen wurden den Aufzeichnungen zufolge hier geheilt.
Die Vielfalt der polnischen Flora konnten die Reisenden aus dem Saarland im botanischen Garten „Arboretum“ in Bolestraszyce bewundern, wo seit über vierzig Jahren die verschiedensten Arten von Pflanzen präsentiert werden. Wer wollte, konnte die Früchte der Kornelkirsche probieren, die zu dieser Jahreszeit gerade reif wurden. Eine der Gattung von Aktinidia mit grünen und größeren Früchten wird als „polnische Kiwi“ bezeichnet. Auch die sog. Pimpernuss, aus der z. B. die Perlen für Rosenkränze hergestellt werden, konnte vor Ort bewundert und als Mitbringsel gesammelt werden.
Der Besuch der orthodoxen Kirche aus dem 16 Jh. in Chotyniec, die heute UNESCO-Weltkulturerbe der Holzarchitektur und eine griechisch-katholische Filialkirche ist, versetzte die Reisenden ebenso in die Atmosphäre des damaligen Lebens wie auch die Besichtigung des „lebenden“ Dorfes aus Holz in Przeworsk, zumal die Teilnehmer in den dortigen Räumlichkeiten aus dem 19. Jh. die regionalen Gerichte, etwa den Borschtsch auf Ukrainisch und verschiedene Arten von Piroggen, verkosten durften.
Auch an anderen Tagen konnten die Reisenden in Vollpension die typischen polnischen und regionalen Gerichte genießen. „Schabowy“, Schnitzel auf polnische Art mit Kartoffeln und Kohl sowie „Bigos“, ein Eintopf aus Sauerkraut, Kohl und verschiedenen Sorten Fleisch und Wurst standen ebenfalls auf der Speisekarte. Im Galizischen Restaurant „C.K. Monarchia“ in Przemysl, wo 2013 bereits der damalige polnische Präsident Bronislaw Komorowski gespeist hatte, wurde das Hausgericht „Ente des Feldmarschalls“ mit Bratapfel und Rotkohl serviert. Am Schloss in Dubiecko, wo das „Sommerabschiedsfest“ gemeinsam gefeiert wurde, hat der Sternekoch Janusz Pyra für die Gruppe ein vorzügliches Dorschfilet zubereitet. Das Schloss Dubiecko ist durch seine Küche überregional bekannt. Das Einkehren in ein traditionelles „Hochzeitshaus“ hinterließ ebenfalls bleibende Eindrücke. Im Ergebnis wurde die polnische Kulinarik zu einer Attraktion für sich während der Reise.
Die Stadt Rzeszow, die Hauptstadt der Woiwodschaft Podkarpackie, wurde in einer Führung ebenfalls besichtigt, nach der die Gruppe ihre Einkäufe erledigen konnte. Auf dem Programm stand auch die Fahrt mit einer Museums-Schmalspurbahn u. a. durch den längsten Schmalspur-Eisenbahntunnel Europas (602 m) aus den Jahren 1900-1904. Die romantische Fahrt in geschlossen und offenen Waggons führte durch die naturbelassene Tallandschaft der Flüsse San und Mleczka.
Während der Teilnahme an dem traditionellen Sommerabschiedsfest am Vortag der Abreise wurde die Gruppe aus der Saarpfalz erneut durch die Vertreter des Landkreises Przemysl begleitet. Der Vizelandrat Marek Kudla, der Kreistagsvorsitzende Ryszard Adamski sowie Piotr Worosz und Zdzislaw Szeliga, die schon bei der Vorbereitung der Reise der Partnerschaftsbeauftragten des Saarpfalz-Kreises Dr. Violetta Frys sowie Wolfgang Henn und Lisa Schanne von der Saarpfalz-Touristik zur Seite standen, waren sichtlich geehrt durch den zahlreichen bürgerlichen Besuch aus dem deutschen Partnerkreis. Der rege Zuspruch für die Bürgerreise hat Landrat Dr. Gallo, den Ideengeber für die Reise, die fortan jährlich angeboten werden soll, sehr gefreut. „Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Bürgerreise nach Polen haben durch die Reise nicht nur die herausragenden Sehenswürdigkeiten des Karpatenvorlandes, sondern auch das Leben der dortigen Menschen mit ihrer Kultur kennengelernt. Das macht solche Fahrten aus“ fasst Landrat Dr. Theophil Gallo zusammen. Die Bürgerreise wurde vom Saarpfalz-Kreis organisiert und durch Dr. Violetta Frys, Partnerschaftsbeauftragte, und Wolfgang Henn, Leiter der Saarpfalz-Touristik begleitet.
Weitere Informationen zur Partnerschaft mit dem polnischen Landkreis Przemysl gibt es im Saarpfalz-Kreis bei Dr. Violetta Frys unter der Telefonnummer 06841/104-8273 oder der E-Mail-Adresse: violetta.frys@saarpfalz-kreis.de
Foto: Robert Zurawel
CvD: Sven Herzog Saarbrücken Trier