Insbesondere Schafe tragen erheblich zum Austausch von Pflanzensamen und somit zum Artenreichtum bei.
Standardpräparat schränkt Entwicklung um bis zu zwei Drittel ein
Trier. Was der Gesundheit von Weidetieren wie Rindern und Schafen nutzt, kann der Vermehrung von Pflanzen schaden. Das haben Wissenschaftler in einer Studie unter Federführung von Dr. Carsten Eichberg von der Universität Trier herausgefunden. Erstmalig haben die Forscher gezeigt, dass ein Standardpräparat zur Bekämpfung von Parasiten bei Weidetieren die Keimung typischer Pflanzenarten des Graslandes um bis zu zwei Drittel einschränkt. Die Europäische Kommission schätzt diese neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse als sehr relevant ein und hat sie nun auf ihrer Homepage veröffentlicht. Sie könnten auch Auswirkungen für die Halter von Weidetieren haben: Ihnen empfehlen die Forscher aus ökologischen Gründen, das Wurmmittel nur in Zeiträumen zu verabreichen, in denen die pflanzliche Vermehrung möglichst wenig beeinträchtigt wird – sofern sich dies mit tiergesundheitlichen Aspekten vereinbaren lässt.
Die Studie wurde von Dr. Carsten Eichberg (Geobotanik der Universität Trier) in Zusammenarbeit mit PD Dr. Tobias W. Donath (Landschaftsökologie, Universität Kiel), Dipl.-Chem. Manuel Wohde und Prof. Dr. Rolf-Alexander Düring (Bodenkunde und Bodenerhaltung, Universität Gießen) erstellt.
Wurmmittel wie das Standardpräparat Cydectin® werden Rindern, Schafen und anderen Weidetieren verabreicht, um Innenparasiten zu bekämpfen. Vor allem Fadenwürmer können die Gesundheit der Tiere erheblich beeinträchtigen. Bei der Bekämpfung spielt insbesondere die Wirkstoffgruppe der makrozyklischen Laktone eine wichtige Rolle. Diese wirken bereits in kleiner Dosis, haben aber nur geringe Nebenwirkungen auf Weidetiere.
Seit Längerem weiß man, dass Rückstände von Wurmmitteln im Dung Larven von Käfern und Fliegen erheblich schädigen können, die für den Abbau des Dungs wichtig sind. Über mögliche toxische Wirkungen von Wurmmitteln auf Pflanzen war dagegen bisher kaum etwas bekannt. Neben Insektenlarven befinden sich im Dung auch keimfähige Pflanzensamen, die Weidetiere in ihrem Inneren in großer Anzahl transportieren. Insbesondere Schafe tragen erheblich zum Austausch von Samen und somit zu Artenreichtum bei, der durch intensive Landnutzung im europäischen Grasland gefährdet ist. Der Ausbreitungsprozess gelingt aber nur, wenn der Samen nach dem Ausscheiden keimen kann und nicht durch Wurmmittel eingeschränkt wird.
Die Idee, die potenzielle Toxizität von Wurmmitteln zu testen, ergab sich aus einem Versuchsergebnis im Rahmen einer von Dr. Carsten Eichberg im Fach Geobotanik der Universität Trier betreuten Masterarbeit zur Ausbreitung von Samen in Schafdung. Hierbei kam es zu untypisch niedrigen Keimlingszahlen von Samen aus dem Dung von Schafen, die zuvor mit dem Wurmmittel Cydectin® behandelt worden waren.
Das Forscherteam testete daher den Einfluss dieses Wurmmittels und seines Wirkstoffes Moxidectin auf die Keimung der drei Pflanzenarten Spitz-Wegerich (Plantago lanceolata), Echtes Labkraut (Galium verum) und Wiesen-Flockenblume (Centaurea jacea), die regelmäßig auf beweidetem Grasland vorkommen. In einem Fütterungsversuch wurden den Schafen die Samen des Spitz-Wegerichs in definierter Menge verabreicht. Ein Teil der Schafe bekam danach Cydectin® verabreicht, der andere Teil diente als Kontrollgruppe. Anschließend zeigten Keimungsversuche im Gewächshaus, dass aus dem Dung der behandelten Tiergruppe nahezu zwei Drittel weniger Keimlinge hervorgingen. Zusätzlich ergab ein Klimaschrank-Versuch, in dem die Samen aller drei Arten verschiedenen Konzentrationsstufen von Cydectin® bzw. Moxidectin ausgesetzt wurden, dass sich die Anzahl der Keimlinge verringerte. Darüber hinaus kam es zu Verzögerungen in der Keimung.
Diese ersten Erkenntnisse hat die Europäische Kommission nun auf ihrer Homepage aufgegriffen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind die Effekte von Moxidectin von konkreten Gegebenheiten der Umwelt und des Weidemanagements abhängig. Wie viele Pflanzenarten betroffen sind, müssen nun weitere Studien zeigen.
Foto: Katrin Kifner